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Rückblick: HERMES-Jahrestreffen 2025 in Marburg. Datenkompetenzen gemeinsam gestalten – zwischen Infrastruktur, Lehre und Community Building

Am 8. und 9. Mai 2025 fand an der Philipps- Universität Marburg das Jahrestreffen des Datenkompetenzzentrums HERMES statt. Die Versammlung bot eine Plattform für Austausch, Weiterbildung und konzeptionelle Weiterentwicklung – mit Vertreter*innen aus Forschung, Lehre, dem Infrastrukturbereich und dem wissenschaftlichen Nachwuchs.

Das Treffen, zu dem (fast) das gesamte Projektteam zusammenkam, bot ein vielseitiges Programm mit zahlreichen Gelegenheiten, zentrale Fragen der digitalen geisteswissenschaftlichen Praxis gemeinsam zu reflektieren. In Workshops, Diskussionen und Vernetzungsformaten wurde erörtert, wie digitale Forschungspraktiken und Datenkompetenzen langfristig im geisteswissenschaftlichen Arbeitsalltag verankert werden können: Welche Unterstützungsstrukturen sind dafür erforderlich? Wie kann fachliche Anschlussfähigkeit gesichert werden – etwa zwischen Qualifikationsstufen, Disziplinen oder Institutionen? Und wie lassen sich bestehende HERMES-Formate und Infrastrukturen gezielter aufeinander beziehen und besser miteinander vernetzen?

Von der Expertbase zur Community of Practice

Zu Beginn stellte das Team zentrale Entwicklungen des vergangenen Jahres vor. Im Fokus stand u.a. die Expertbase, eine neue Plattform zur Sichtbarmachung von Fachkompetenzen im Bereich der Digital Humanities. Anders als herkömmliche Personenverzeichnisse erlaubt sie eine differenzierte Suche nach Kombinationen von Forschungsfeldern, Methodenkenntnissen und digitalen Kompetenzen – etwa nach Expert*innen, die sich sowohl mit Ägyptologie als auch mit Netzwerkanalyse befassen.

Die Expertbase basiert auf automatisiert aggregierten Daten aus ORCID-Profilen, kombiniert mit einer semantischen Anreicherung durch die TaDiRAH-Taxonomie. Durch den Einsatz boolescher Operatoren lassen sich komplexe Suchabfragen formulieren. Ziel ist es, die Expertisen digital arbeitender Geisteswissenschaftler*innen besser sichtbar zu machen und konkrete Wege für Anschlussfähigkeit zu eröffnen – etwa für die Betreuung von Qualifikationsarbeiten, Projektzusammenarbeit oder Methodencoaching. Die Expertbase wird bald auf dem HERMES-Hub, der Webseite des Datenkompetenzzentrums, zu finden sein.

Ein zentrales Anliegen von HERMES ist dabei die Förderung einer nachhaltigen Community of Practice, die über disziplinäre, regionale und institutionelle Grenzen hinweg digitale Kompetenzen teilt, weiterentwickelt und verstetigt. Die Expertbase wurde daher nicht als rein technisches Tool vorgestellt, sondern als Teil eines größeren Ökosystems, das den Wissenstransfer im Feld der Geisteswissenschaften stärken soll.

Neben der Vorstellung der Expertbase bot das Jahrestreffen auch einen tieferen Einblick in die Bandbreite der Formate und Aktivitäten, die HERMES als Datenkompetenzzentrum in den vergangenen Monaten entwickelt und erprobt hat. Informationen zu weiteren Themen und Angeboten sind jederzeit auf hermes-hub.de zu finden.

KI in den Geisteswissenschaften: Literacy, Potenziale, Fragen

Ein Highlight des Treffens war die öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema „Prompting und Co.: Brauchen wir eine KI-Literacy in den Geisteswissenschaften?“ Mit Prof. Christin Seifert, Prof. Torsten Schrade, Prof. Peter Bell und Dr. Florian Nieser diskutierten Vertreter*innen aus den Digital Humanities, der Informatik und der digitalen Kunstgeschichte über die aktuellen Herausforderungen und Chancen, die sich aus dem Einsatz generativer KI in Forschung und Lehre ergeben.

Die Diskussion zeigte deutlich, wie stark generative KI – etwa in Form von Textgeneratoren oder Bildanalyseverfahren – gegenwärtig geisteswissenschaftliche Praktiken beeinflusst: von der Informationssuche über Datenannotation bis hin zur Textproduktion. Gleichzeitig wurde betont, dass mit diesen neuen Möglichkeiten auch methodische und epistemologische Fragen verbunden sind. Der Begriff der KI-Literacy wurde dabei nicht als rein technische Qualifikation verstanden, sondern als Fähigkeit zur kritischen Reflexion, Einschätzung und Gestaltung digitaler Werkzeuge im wissenschaftlichen Kontext.

Ein wichtiges Thema war die Einbindung von KI-Kompetenzen in bestehende Curricula: Welche Formate sind geeignet, um eine reflektierte Nutzung von KI zu vermitteln? Wie lassen sich Studierende und Promovierende befähigen, mit Unsicherheiten und Intransparenzen umzugehen? Und wie kann das Spannungsfeld zwischen technologischer Innovation und zunehmenden Verständnisschwierigkeiten produktiv bearbeitet werden?

Taxonomien, semantische Modelle und das Weiterdenken von TaDiRAH

Ein intensives Arbeitsformat war der Workshop „TaDiRAH weiterdenken – Forschungsaktivitäten, Kompetenzen und semantische Kontexte“, geleitet von Dr. Canan Hastik (IGSD e.V., SODa). Die „Taxonomy of Digital Research Activities in the Humanities“ (TaDiRAH) hat sich in den letzten Jahren als wichtiges Ordnungssystem zur Beschreibung digitaler Methoden und Forschungsaktivitäten etabliert. Doch mit den sich wandelnden Anforderungen – etwa im Bereich semantischer Datenmodellierung, KI-gestützter Analyse oder strukturierter Nachnutzung – stoßen bestehende Kategorien zunehmend an ihre Grenzen.

Abb. 1: Workshop „TaDiRAH weiterdenken – Forschungsaktivitäten, Kompetenzen und semantische Kontexte“, Foto: K. Stanicka-Brzezicka

In dem Workshop wurde analysiert wie TaDiRAH in Infrastrukturen, wie dem HERMES-Hub, der NFDI4Culture Registry oder DARIAH OpenMethods, zur Anwendung kommt (Abb. 1). Anhand konkreter Mapping-Übungen wurden Lücken und neue Klassifikationsbedarfe identifiziert. Diskutiert wurden u. a. neue Dimensionen zur Beschreibung von Datenkompetenzen, Vorschläge für die Integration generativer Verfahren und Möglichkeiten zur stärkeren Verbindung mit didaktischen Kontexten.

Die Ergebnisse des Workshops sollen in einem konkreten Dokument münden, der zur Weiterentwicklung von TaDiRAH im Austausch mit der Community beitragen soll – mit dem Ziel, die Taxonomie anschlussfähiger, interoperabler und nutzungsfreundlicher zu machen.

Hands-on Formate: Python lernen, sich vernetzen, Ideen entwickeln

Ergänzt wurde das Programm durch praxisorientierte Formate, die zum Mitmachen einluden: Zwei Python-Workshops – ein Einführungskurs sowie ein Coding Sprint (Abb. 2) – ermöglichten Einsteiger*innen aus den Geisteswissenschaften erste Schritte in der Programmiersprache. Beide Formate setzten auf niedrigschwellige Didaktik, angeleitetes Ausprobieren und den Abbau von Berührungsängsten.

Abb. 2: Python Coding Sprint, Foto: K. Stanicka-Brzezicka

Besonders erfreulich war der Zuspruch für das Meet & Greet, das Promotionsinteressierte mit erfahrenen Betreuenden zusammenbrachte. In einem kollegialen, geschützten Rahmen konnten Perspektiven auf Qualifikationsprozesse, Forschungsthemen und Karrierewege diskutiert und Fragen rund um das Thema Promotion gestellt werden, um Übergänge zwischen den Qualifikationsphasen zu erleichtern.

Fazit: Kompetenzen vernetzen – auf vielen Ebenen

Das HERMES-Jahrestreffen 2025 hat eindrücklich gezeigt, wie viel Potenzial im Zusammenspiel von Infrastrukturen, Kompetenzen und Community liegt. Ob Expertbase, TaDiRAH oder KI-Literacy – die behandelten Themen verdeutlichen, dass digitale Methoden in den Geisteswissenschaften nicht isoliert vermittelt oder eingesetzt werden sollten. Vielmehr geht es um ein integriertes Verständnis von Daten, Werkzeugen, Wissenspraktiken und Qualifizierungswegen.

Die Veranstaltung war nicht nur ein Ort der Diskussion, sondern auch des praktischen Handelns: Werkzeuge wurden ausprobiert, Ideen weitergedacht, Netzwerke geknüpft. Marburg erwies sich dabei als produktiver Ort für interdisziplinären Austausch und konkrete Zusammenarbeit – und als Impulsgeber für die Weiterentwicklung datenkompetenter Forschung in den Geisteswissenschaften.


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Ksenia Stanicka-Brzezicka (15. Mai 2025). Rückblick: HERMES-Jahrestreffen 2025 in Marburg. Datenkompetenzen gemeinsam gestalten – zwischen Infrastruktur, Lehre und Community Building. Humanities Data Literacy. Abgerufen am 8. Juni 2025 von https://doi.org/10.58079/13xp7


Ksenia Stanicka-Brzezicka

PD Dr. Ksenia Stanicka-Brzezicka ist Kunsthistorikerin und Koordinatorin des HERMES-Projekts an der Philipps-Universität Marburg. Ihr Schwerpunkt liegt auf dem Aspekt der Transdisziplinarität im Rahmen der Digital Humanities. Zudem verfügt sie über Expertise im Bereich der Anwendung digitaler Methoden für die Dokumentation des Kulturerbes.

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